Vom Dauerlauf bis zum Klimaschutz 

Tim Willy Weber will Bürgermeister in Ottersberg werden / Wahl ist bereits Ende April 2020

21.12.‘19

Ein Interview von Uwe Dammann

Tim, warum sollte jemand – beispielsweise aus Hessen oder Nordrhein-Westfalen, nach Ottersberg ziehen? Wo liegen hier die Vorzüge?
Da muss ich mich kurz konzentrieren, weil Ottersberg so viele Vorzüge hat. Auf jeden Fall ist das Bildung. Wir haben eine sehr gute Schullandschaft, wir haben eine sehr gute Kinderbetreuung. Wenn zum Beispiel eine Familie hier hinziehen möchte, dann ist es die Natur, die Umgebung. Ottersberg hat einen großen Erholungswert. Und Ottersberg hat einfach interessante Menschen. Ottersberg ist ja nicht so groß, mit rund 13 000 Einwohnern, aber hier ist eine Menge los. Es gibt Samstagsabende, da kann ich mir überlegen, ob ich zu einem plattdeutschen Theaterabend nach Otterstedt fahre, oder zu einem Jazzkonzert im Kuckuck. Das zeigt schon die Bandbreite.

Du willst Bürgermeister dieser von Dir so gelobten Gemeinde werden, nun beginnt der Wahlkampf „im Sprint" hast Du in der Presse gesagt. Wie ist das gemeint?
Ursprünglich war es ja so, dass die Wahl im September 2021 stattfinden sollte. Ich hatte mir schon etwas angelesen, dass man sich als Kandidat zwei Jahre vorher vorbereiten sollte. So hatte ich es auch vor. Deshalb habe ich im August dieses Jahres in einer Mitgliederversammlung meine Kandidatur schon mal angekündigt. Aber nun hat es Bürgermeister Hofmann geschafft, uns zu überraschen. Die Wahl ist am 26. April 2020. Und jetzt ist es eben kein Dauerlauf mehr, sondern ein Sprint. Das heißt, was ich vorher in Monaten machen wollte, wird jetzt in wenigen Wochen komprimiert.

War der Sprint früher eine Deiner Stärken im Schulsport, oder eher der Dauerlauf? Im Sport eher der Sprint, ich habe im Sportunterricht die schnellen Spiele wie Handball oder Basketball geschätzt, aber durchaus auch Kampfsportarten. Aber wenn es darum geht, an Themen dran zu bleiben, dann bin ich ganz klar Dauerläufer.

Der Bürgermeister ist auch Verwaltungschef von über 100 Mitarbeitern. Wie sieht es mit Deiner Erfahrung in der Führung und Leitung von Mitarbeitern aus?
Ich bin im Grunde seit 1993 mit Führungsaufgaben betraut. Bei Kampagnen von „Mehr Demokratie" waren das manchmal mehrere 100 Menschen, deren erster Ansprechpartner ich war. Im Moment sind wir 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich arbeite als Geschäftsführer bei Mehr Demokratie e. V. Dafür bin ich bundesweit unterwegs.

Ottersberg ist eine Gemeinde, die sich vor allem auch durch ihre höchst unterschiedliche Bevölkerungsstruktur von anderen Kommunen unterscheidet. Hier gibt es Anthroposophen, Studenten der Hochschule für Kunst im Sozialen, Landwirte, Handwerker, Bremen- und Hamburg-Pendler – wie willst Du da als Integrationsfigur dienen?
Ich glaube ein Plus von mir ist, dass ich Menschen wirklich gerne mag. Ottersberg ist auch deshalb so interessant, weil die Menschen so unterschiedlich sind. Diese Vielfalt habe ich in der Kommunalpolitik noch mal viel besser gelernt. Über die Geburtstagsbesuche, die ich als stellvertretender Bürgermeister und Ortsbürgermeister in den vergangenen Jahren absolviert habe, komme ich mit sehr vielen, völlig unterschiedlichen Menschen in Kontakt. Ich habe Versammlungen des Schützenvereins besucht, genau wie die der Feuerwehr oder bin Gast beim Novembermarkt der Waldorfschule. Und da lernst du die ganze Bandbreite kennen. Was diese gesamten Gruppen verbindet ist, dass sie was wollen. Sie wollen initiativ sein, gemeinsam für den Ort arbeiten. Das ist das Verbindende, wo ich auch die Chance als Bürgermeister sehe, Gemeinsamkeiten zu finden. Dass man gemeinsam etwas auf die Beine stellt. Ottersberg hat beispielsweise keinen Treffpunkt – und darunter leiden tatsächlich fast alle Ottersberger. Da ist es egal, ob man Landwirt, Kunststudent oder Waldorflehrerin ist. Die Frage ist ja, gelingt es uns, einen Treffpunkt zu finden, wo viele unterschiedliche Menschen hingehen?

Ottersberg ist eine Gemeinde, die sich nicht gerade durch große Gewerbegebiete auszeichnet. Warum ist das so, und wie könnte die Wirtschaftsentwicklung der Kommune weitergehen? Ottersberg ist von Landschafts- und Naturschutzgebieten umgeben. Das macht den Ort ja so reizvoll. Das ist ein Stück Lebensqualität. Aber dadurch ist die Entwicklung in den Gewerbegebieten begrenzt. Das heißt, da hat Ottersberg im Vergleich zu Oyten einen Standortnachteil. Natur ist ein Standortvorteil, aber die Begrenztheit der Gewerbegebiete ein Standortnachteil. Wir wollen die Gewerbegebiete, die man hat, behutsam vergrößern. Eine Idee, die von allen Fraktionen im Rat getragen wird, ist es ein Gewerbegebiet an der Autobahn in Posthausen zu entwickeln. Das wäre optimal, weil dort gleich ein Autobahnanschluss zur Verfügung steht. Das zweite ist, dass wir im Kernort Büroflächen schaffen. Was uns jetzt bei ALECO gelingt, die hier ihren Verwaltungssitz aufbauen wollen. Ähnliches wollen wir auch für andere Gewerbeunternehmen entwickeln. Und schließlich gibt es noch den Punkt, der unter nachhaltiger Wirtschaftsförderung läuft. Das bedeutet, dass man versucht regionale Kreisläufe zu fördern und hier bei alternativen Wirtschaftsformen ansetzt. Zum Beispiel: Den Roland, ein alternatives Zahlungsmittel, das es in der Region gibt, das sollte man fördern. Es gibt bereits in Ottersberg viele vergleichbare Beispiele. Wir haben hier die Gemeinschaftsgärten, wir haben die BIN, ein lokales Telefonunternehmen. Das muss man sich mal vorstellen, ein Ort in der Größe Ottersberg hat ein eigenes Telefonunternehmen. Aber im Grunde ist das genau richtig. Das Geld wandert nicht ab, in irgendeine anonyme Konzernzentrale nach Berlin, sondern bleibt hier.

Du stehst als Kandidat – nicht zuletzt durch Deine Tätigkeit als Geschäftsführer von Mehr Demokratie – für Bürgerbeteiligung. Wie könnte die konkret aussehen – verbessert werden?
Vorweg möchte ich feststellen, dass viele denken, Bürgerbeteiligung ist ausschließlich damit gleichzusetzen, dass die Bürger entscheiden. Das ist nicht gemeint. Entscheiden wird in der Regel der Rat, oder der Bürgermeister. Das wird bei mir genauso sein, wie bei jedem anderen Bürgermeister. Aber Bürgerbeteiligung bedeutet, dass gerade bei schwierigen Fragestellungen, die Bürger vorher angehört werden – beteiligt werden. Mir schweben da ganz einfache Dinge vor. Da ist zum einen eine Einwohnerversammlung, die mindestens einmal im Jahr stattfinden soll und in der die Menschen im Flecken informiert werden, was an Projekten geplant ist. Das zweite ist eine Vorhabenliste, mit der die Bürger und Bürgerinnen auch sehen können, was für Projekte sind eigentlich geplant. Eine dritte Möglichkeit ist, dass wir thematisch bezogen „Runde Tische" einführen, bei denen es um grundsätzliche Themen wie Pflege oder Seniorentreffpunkte gehen könnte. Und als viertes Instrument, was ich sehr gut finde, wollen wir eine Art Losverfahren einführen. Unter den 13 000 Einwohnern werden Menschen nach dem Zufallsprinzip angeschrieben. Von denen werden wieder 30 bis 40 befragt, wie beispielsweise der weitere Umgang mit dem Otterstedter See aussehen könnte, oder wie der Flecken seinen Schuldenberg abtragen könnte. Diese Antworten fließen zwar nicht endgültig in Entscheidungen für den Ort, aber sie werden in die Beratungen des Gemeinderates aufgenommen, der letztlich die Entscheidung fällt.

Es gibt im Flecken Ottersberg eine Menge drängender Themen, die vielen Bürgern auf den Nägeln brennen. Ich nenne nur eines – wie kann und sollte die Sanierung des Otterstedter Sees gelingen, in dem es in der Vergangenheit immer wieder zur Blaualgenbelastung und damit zum Badeverbot kam?
Da stehe ich und viele andere im Rat für eine nachhaltige Sanierung des Sees. Das war ja in der Vergangenheit ein Konfliktpunkt, weil die Verwaltung nicht oder zu spät Beschlüsse des Rates umgesetzt hat. Unter anderem ist das ein Punkt warum ich Bürgermeister werden will, damit künftig Beschlüsse des Rates zeitnah umgesetzt werden. Beim See stehe ich für eine nachhaltige Lösung, wie beispielsweise eine Belüftung des Sees. Den weiteren Eintrag von Bentophos lehne ich ab, weil es zwar kurzfristig gegen Blaualgen hilft, den See aber nicht wirklich gesunden lässt.

Ein weiteres ist die einzelne Entwicklung der Orte. Wie beispielsweise könnte für Dich ein gelungener Ortsmittelpunkt in Ottersberg aussehen? Die Ortsentwicklung ist in allen Ortsteilen ein Thema. Vorbildlich finde ich das Genossenschaftsmodell für den Dorfladen in Otterstedt. In Ottersberg ist erfreulich, dass der Schulvorplatz neu gestaltet werden soll. Das hat der Ortsrat auf den Weg gebracht. Dann haben wir die Initiative „Raum" mit der Einrichtung eines Treffpunktes im ehemaligen Ateliercafé, außerdem will der Förderverein den Schulhof großflächig neu gestalten. In der Nähe noch den neuen Trimm Dich Pfad und auch der Wümmekieker wird renoviert werden. Was jetzt noch gut wäre, wäre ein Anbau an der Bibliothek, dass man dort ein kleines Café hätte. Das wären alles Möglichkeiten, wo sich Menschen begegnen können. Das ist allerdings unabhängig von der Frage, dass wir in Ottersberg auch noch eine Gaststätte benötigen.

Das Thema Klimaschutz beherrscht derzeit die öffentliche Debatte und wird für viele Menschen in Ottersberg zur drängenden Frage. Wie kann eine Kommune in der Größenordnung Ottersbergs zur Verbesserung des Klimas beitragen?
Ottersberg hat viele Möglichkeiten. Der Ort verfügt über ein eigenes E-Werk. Damit können wir schon sehr viel tun für eine lokale Klimapolitik, die regenerative Energien fördert oder man bringt Programme auf den Weg, mit denen Blockheizkraftwerke in Neubaugebieten gefördert werden. Da würde nicht jedes Haus eine eigene Heizung benötigen, sondern viele Häuser und Wohnungen könnten von diesem Minikraftwerk profitieren. Dann hat ja die CDU-Kreistagsfraktion gerade gefordert, für jeden Bürger im Landkreis einen Baum zu pflanzen. Es freut mich, dass die CDU „blumiger" wird. Solche Initiativen unterstützen wir. Das wären 13 000 Bäume für Ottersberg. Gemeinsam mit der SPD und den Grünen haben wir ein Klimaschutzpaket auf den Weg gebracht. Damit könnten wir das Projekt fördern.

Passender Wohnraum wird nicht nur in den großen Städten, sondern auch in kleineren Kommunen immer mehr ein Thema. Wie könnte eine zukunftsweisende Wohnungspolitik in Ottersberg aussehen?
Wir benötigen in Zukunft kleinere Wohnungen – auch in Ottersberg. Da fragen ältere Menschen nach, aber auch Alleinerziehende. Im privaten Bereich passiert da etwas, aber der Bedarf ist längst noch nicht gedeckt. Das heißt, die Kommunalpolitik muss umdenken und Baugebiete ausweisen und kleinere Wohnungen schaffen. Zum anderen ist da auch das Bedürfnis von Menschen alternativ zu wohnen – beispielsweise die Bauwagensiedlung der Studenten der Hochschule, die man in einem Sondergebiet ausweisen könnte. Eine andere Idee ist Tiny-Häuser zu schaffen, also Minihäuser. Und außerdem müssen wir auch gemeinschaftliche Wohnformen für Menschen unterstützen. In Fischerhude gibt es da eine Initiative, aber auch hier in Ottersberg, die die früheren Räume der Fachhochschule am Wiestebruch nutzen möchte. Die Herausforderung ist dabei, gerade in Zeiten des Klimaschutzes, Wohnraum zu schaffen, ohne Flächen großzügig zu versiegeln. Das reizt mich auch an Politik – neue Pfade zu gehen, um den wechselnden Bedürfnissen gerecht zu werden.

Was sagt die Familie zur Kandidatur? Schließlich ist so ein Job als Bürgermeister sehr zeit- und arbeitsintensiv.
Ein Grund, warum ich die Wahl gewinnen werde, ist, weil ich meine Frau im Wahlteam habe. Silvia hat sehr viel Organisationstalent und Leidenschaft für die Sache. Und auch die drei Töchter begleiten die Kandidatur sehr wohlwollend.

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Übrigens:

"Wer nichts waget, der darf nichts hoffen."

Friedrich Schiler

Wer ist eigentlich:

Ina Bauer

Betriebswirtin, Jahrgang 1961, ein Sohn
aufgewachsen in Posthausen, wohnt seit 30 Jahren im Ortsteil Bahnhof.

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