Dicke Luft und ein 
  mehrheitsfähiger 
  Kompromiss 

Rat diskutiert über Gestaltungs- und Erhaltungssatzung in Fischerhude

13.06.‘18

Von Uwe Dammann

Fischerhude. Ortsbürgermeister Wilfried Mittendorf (FGBO) hatte es schon im Vorfeld geahnt. In einem Schreiben an Flecken-Bürgermeister Horst Hofmann hatte er beantragt die Ratssitzung, in der der Beschluss zur Gestaltungs- und Erhaltungssatzung für Fischerhude im Mittelpunkt stand, wegen des zu erwartenden großen Publikumsinteresse in die Aula der Wümmeschule zu verlegen. Hofmann lehnte ab, und so blieb es bei dem Tagungsort in Bellmanns Gasthaus, der an diesem Abend rund 200 Besucher aufnahm. In schweißtreibender und stickiger Luft, dicht umringt von den Zuhörern, rang der Rat in einer knapp dreistündigen Sitzung um einen Kompromiss für die Fischerhuder Dorfgestaltung, der in dieser Form sicherlich lokalhistorische Bedeutung hat.

Zentral im Mittelpunkt der Debatte stand die Gestaltungs- und Erhaltungssatzung für Fischerhude, die in den vergangenen Monaten Gräben zwischen Befürwortern und Gegnern in dem Künstler- und Bauerndorf gezogen hatte. Eine Initiative um den früheren Ortsbürgermeister Jochen Bertzbach und Gerd Cordes sowie tatkräftig unterstützt von einigen Fischerhuder Unternehmern, hatte über eine Unterschriftenliste mit über 650 Unterzeichnern, die geplante Gestaltungs- und Erhaltungssatzung zu Fall bringen wollen. Der Vorwurf der Kritiker: Die Satzung enthalte eine Regulierungsliste, mit der den Bürgern im Ortskern zu starke Vorschriften gemacht würden. Die Satzung würde die Weiterentwicklung des Ortes gefährden, malten vor allem die betroffenen Unternehmer, wie unter anderem der Bäcker Volker Sammann, ein Schreckensszenario an die Wand. „Dorfbewohner, die zeitgemäß bauen und gleichwohl einen modernen Ausdruck finden wollen, müssen derart rigide bauordnungsrechtliche Vorschriften als Bevormundung empfinden", betonte Jochen Bertzbach. Eine lebendige Dorfentwicklung sei damit kaum noch möglich. Eine Gestaltungsfibel dagegen bedeute nicht Verordnung von Gestaltung, sondern diene als Leitfaden.

Die Gestaltungsfibel wiederum war dem Fischerhuder Orsbürgermeister Mittendorf sowie der FGBO/SPD/Grünen-Mehrheit im Rat nicht verbindlich genug. „Ein Dorf wandelt sich. Das Wohnen und Wirtschaften und damit die Nutzung ändert sich. Die Personen und Akteure werden andere. Das Selbstverständnis der alten Fischerhuder an Gestaltung und Erhalt gibt es nicht mehr bei allen neuen Eigentümern. Das Verwertungsinteresse der Erben von Gebäuden und Grundstücken tritt mehr in den Vordergrund. Viele landwirtschaftliche Gebäude werden nicht mehr genutzt. Um den historischen, bäuerlichen Charakter des einmaligen Ortskernes zu erhalten, ist es erforderlich, konkrete qualitätssichernde Regelungen aufzustellen", so Wilfried Mittendorf.

So sollte in der Ratssitzung nichts weniger als ein Kompromiss gefunden werden, der die zerstrittenen Lager wieder zueinander bringt. Die Verwaltung um Bürgermeister Hofmann hatte für die Sitzung eine Vorlage vorbereitet, der von beiden Seiten „echte Eingeständnisse" (Hofmann) abforderte, was aber gleichzeitig nicht den Verlust des eigenen Standpunktes bedeutete. Nach dem Kompromiss sollte die Erhaltungssatzung komplett wegfallen und die Gestaltungssatzung zwar verabschiedet, aber deutlich inhaltlich abgespeckt werden. Auch eine Gestaltungsfibel soll es für künftige Bauherren als Orientierungshilfe geben, außerdem könnte ein Gestaltungsbeirat aus externen Fachleuten und Bürgern bei kritischen Streitfragen hinzugezogen werden. Zündstoff für eine kontroverse Debatte im Rat war also reichlich vorhanden, die obendrein in der Fragestunde durch zahlreiche Bürger angefeuert wurde. Die lange und anhaltende Diskussion aus der dreistündigen Sitzung wieder zugeben, ist an dieser Stelle kaum möglich. Der FGBO-Fraktionsvorsitzende Tim Weber hatte im Rat die Aufgabe übernommen, einen eigenen Antrag der FGBO/SPD und Grünen-Gruppe vorzustellen. Der war im Wesentlichen deckungsgleich mit dem Vorschlag der Verwaltung, hatte aber in einigen Nuancen wichtige sprachliche, weil konkretisierende Abweichungen. Als sich jedoch immer mehr herauskristallisierte, dass dieser Vorschlag von der CDU-Fraktion nicht mitgetragen werden würde, beantragte Weber eine Sitzungsunterbrechung, in der die Kommunalpolitiker gemeinsam mit dem Bürgermeister eine von allen Fraktionen getragene Sprachregelung fanden.

  • Auf das Verfahren zum Erlass einer Erhaltungssatzung wird verzichtet.
  • Der geänderte Entwurf der Gestaltungssatzung ist auf wichtige Regelungsinhalte zu reduzieren. Die Inhalte sind mit der betroffenen Einwohnerschaft gemeinsam zu erarbeiten. Ein somit geänderter Entwurf ist erneut in das Beteiligungs- und Genehmigungsverfahren zu geben.
  • Eine Gestaltungsfibel wird erstellt.
  • Ein Gestaltungsbeirat kann bei bestimmten Planungsvorhaben hinzugezogen werden. Dieser Beirat ist mit externen Mitgliedern zu besetzen.
  • Im Verfahren ist die betroffene Einwohnerschaft mit einzubinden.

Dieser Vorschlag fand in der abschließenden Abstimmung eine große Mehrheit im Rat. Bei drei Gegenstimmen und einer Enthaltung, wurde der Beschluss mit 24 Ja-Stimmen verabschiedet.

Die Ratsmitglieder und die Vertreter des Einwohnerantrag bewegten sich auf einander zu. Die Befürworter der Satzungen verzichten auf die Erhaltungssatzung und sind bereit, den bisherigen Entwurf der Gestaltungssatzung zu überarbeiten, die Gegner der Satzungen freunden sich mit einer Gestaltungssatzung an. Allen Beteiligten ist klar, dass einige Treffen und Diskussionen vor ihnen liegen. Ziel ist es, eine von den Einwohner getragene Gestaltungssatzung zu verabschieden.

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Übrigens:

"Wer nichts waget, der darf nichts hoffen."

Friedrich Schiler

Wer ist eigentlich:

Dr. Walter Vorderstraße

Pneumologe, Jahrgang 1953, große Familie mit Tochter, Schwiegersohn und Enkel
Aus dem Münsterland kommend seit 1999 in Fischerhude lebend.

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